o.T. 2023, Acryl auf Leinwand, 2teilig, je 80 x 100 cm

o.T. 2023, Acryl auf Leinwand, 4teilig, je 80 x 80 cm

o.T. 2023, Acryl auf Leinwand, 2teilig, je 80 x 100 cm

o.T. 2023, Acryl auf Leinwand, 120 x 160 cm

o.T. 2023, Acryl auf Leinwand, je 120 x 100 cm

Führung und Rede Juli 2023:

Brigitta Amalia Gonser,
Kulturwissenschaftlerin

 

Thematisch kreisen die Arbeiten Claudia Poeschmanns häufig um existenzielle und metaphysische Fragen von archetypischen Dimensionen der Seele, angeregt durch das Sein, Erfahren und Durchleben ihres eigenen Lebensprozesses.

Echos des Alterns und des Sterbens ihrer saturnischen Natur finden wir in drei ihrer wichtigsten Zyklen, die jeweils in Einzelausstellungen in Museen gezeigt wurden:  2009 „alter eros“, 2014 „Hinter der Zeit“ und 2019 „Die Vergänglichkeit der Zukunft

Parallel dazu beschäftigt Poeschmann aber auch die architektonische Thematik der auf- oder absteigenden Treppe in vielfachen Variationen als metaphysisches Symbol: skulptural 1997 in den „Himmelstreppen“ der Hochheimer Evangelischen Kirche, malerisch 2015 in „Himmelstreppen II“.

Nun empfängt uns in dieser Ausstellung ein zelebrierter transzendenter Kreislauf des Werdens und Vergehens der Pflanze Mais.

Treten Sie ein in das sublime Mais-Sanctuarium. Eine Sublimation der Maiskultur. Und Poeschmann führt ihre beiden großen Themenkreise darin zusammen – in der Bild-Idee in nuce dieses Zyklus – der kleinen Arbeit am Eingang, indem sie eine grüne kleine Maispflanze in eine ihrer umgekehrten uralten Treppenpyramiden setzt.

Und wir erinnern uns an die 3.000 v.u.Z. entstandene Maya Pyramide des Kukulcán, eine Tempelpyramide in der Ruinenstadt Chichén Itzá im Norden der Halbinsel Yucatán in Mexiko, die den Priestern dazu diente, dem Himmel und den Göttern näher zu sein. Auch das Zentrum der Maiskultivierung liegt in Zentralmexiko, wobei das Wildgras Teosinte der wilde Vorfahr des Maises ist. Die Entwicklung des heutigen Kulturmaises, der sich ohne menschliche Hilfe nicht fortpflanzen kann, ist eine der größten Domestizierungsleistungen des Menschen. Kultur-Mais aus dem Tal von Tehuacán stammt von etwa 4.700 v.u.Z.

Mit der Entdeckung Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus kam der Mais relativ schnell nach Europa und verbreitete sich von hier aus über die ganze Welt.

Claudia Poeschmanns Pflanzendarstellungen sind aber keine botanischen Illustrationen, auch keine Reverenz an Maria Sibylla Merian.

Es sind zwar Gewächse der Seele, weil die Pflanze für Poeschmann Bedeutung als künstlerische Ausdrucksform seelischer Zustände hat, aber nicht im Stil der Werke des Symbolismus und Surrealismus oder der Outsider Art.  Mais ist für sie kein künstlerisches Studienobjekt sondern metaphysisches Sujet, das sie erhaben ritualisiert. Dabei stellt sie mit den

Mitteln eines ikonisch kühlen Hyperrealismus zugespitzte Fragen nach dem Wesen der Dinge in einen existentialistischen Kontext durch eine pointierte Übersteigerung der Wirklichkeit im Bild.

Inmitten dieser sakralen Prozession von sublimen Ikon-Tafelbildern zum Sujet Kreislauf der Mais-Wachstumsphasen von der sommergrünen einjährigen krautigen Pflanze mit der blühenden Rispe, über den prallen reifen gelben Maiskolben, zum Vanitas-Purpur der verdorrenden Blätter, als Sinnbilder der Vergänglichkeit und des Todes, dominiert dies diaphane Mais-Sanctuarium eine transluzide und transzendente Festtafel, flankiert von der doppelten Dreifaltigkeit aus Mais emporwachsender hochlehniger Stühle, die für Divinitäten – für göttliche Wesen bestimmt zu sein scheinen.  Memento mori oder doch Carpe diem?  Sicher aber ein grandioser Seins- und Lebenszyklus diese nachhaltige „Ode an den Mais“, die in der großen umgekehrten purpurnen Treppenpyramide im lichtblauen Nirvana kulminiert.